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Botschafterin der Kärntner Nudl


1485 erwähnt der kirchliche Gesandte Paolo Santonino erstmals die Kasnudl, als er den Grafen von Görz besuchte. Das Rezept wird von Ingeborg Daberer zur Vollendung gebracht.
Von Alexander Rabl

Der Gasthof Grünwald steht am Straßenrand der Bundesstraße im kleinen Ort Sankt Daniel, aber in keiner Restauranthitliste und keinem Gourmetführer. Er gilt als beste Adresse für Kärntner Nudln, sein Ruf ist weit über das Gailtal hinausgedrungen. Hier ist Ingeborg Daberer die Gastgeberin. Das Haus, das sich seit dem frühen neunzehnten Jahrhundert im Besitz der Familie Grünwald befindet, haben sie und ihre Schwester Gudrun vor zehn Jahren schmuck und bescheiden renoviert. Viel helles Holz aus dem Gailtal, viel Licht im Gastraum, die Werkstatt, in der Ingeborg Daberer die Nudln fabriziert, ist klein.



"An 300 Tagen im Jahr produziere ich Kasnudln und andere Nudln", erzählt sie, "so an die vier Stunden im Tag." "Handgemacht" steht auf der Speisenkarte und auf ihren Stundenlohn angesprochen, muss Ingeborg Daberer herzlich lachen. Ein Teller Kasnudln kostet 14 Euro. Mit der Fülle aus gekochten und zerdrückten Kartoffeln und in der Landwirtschaft der Daberers produziertem Topfen - zu der eine bestimmte Minzsorte (die dunkle, leicht süßliche Minze, die es nur in Kärnten gibt) kommt - und dem Teig harmoniert hervorragend heiße, fast schaumige, braune Butter, unverzichtbar, außerdem Schnittlauch. Gegessen wird dazu grüner Salat. Es bleibt fast nie bei einem Teller Nudln und das Angebot reicht von Fleischnudln über süße Kletznnudln bis zu mit vielen anderen Komponenten gefüllten Nudl-Arten. Alpines Comfort Food.

Die Küche der Region war immer geprägt durch das Vorhandensein von Milch, Käse und Kartoffel, Mehl und Wasser. Salz musste herbeigeschafft werden. Die klassische Kasnudl, zu der man hier niemals Teigtasche sagen würde, außer, man möchte aus dem Gasthaus oder vom Hof gejagt werden, galt und gilt als beliebte Fasttagsspeise, wenn es fleischlos sein sollte. "Früher sagte man zu den Nudln auch Krapfen, viele unserer älteren Gäste bestellen auch heute noch Krapfen, wenn sie Nudln meinen." Man spricht das a der Krapfen wie ein o aus. "Krapfen" ist ein in der bäuerlichen Küche oft verwendeter Begriff, manchmal handelt es sich dabei um eine süße Speise, aus in Fett herausgebackenem Teig, manchmal auch um ein salziges Gericht, je nachdem, wie man sie serviert, mal mit Marmelade, mal mit Kraut. Oftmals steht die Bezeichnung "Krapfen" aber für einen der Kasnudl ähnlichen Raviolo, wie in Osttirol oder Südtirol.



Von Schlipf- und Schlutzkrapfen. Um vom Ende des Gailtals nach Osttirol und danach nach Südtirol zu kommen, nimmt man am besten die Straße durch das wunderschöne Lesachtal. (Dann ist es nur noch eine knappe halbe Stunde bis nach Bruneck zu Norbert Niederkofler in seinem Atelier Moessmer, aber das ist jetzt wirklich eine andere Geschichte.) Auf dem Weg durchs Lesachtal werden aus den Kasnudln Schlipfkrapfen, die später in Südtirol Schlutzkrapfen heißen. "Diese Krapfen bestehen ebenfalls aus Nudelteig", erzählt Ingeborg Daberer, "allerdings wird diesem Teig Roggenmehl zugefügt." Das gibt ihm eine gewisse Bissfestigkeit. Schlipfkrapfen sind kleiner und weniger prall rundlich als die Kärntner Nudl, die Fülle besteht ebenfalls aus Topfen und Erdäpfelteig. Weiter südlich kann auch Ricotta Teil der Füllung sein. Aufs Krendeln, dieses typische Erkennungsmerkmal der Kasnudl, wird verzichtet. In Sankt Daniel nimmt man gern den rauchigen Schottenkäse, eine großartige Alternative zur klassischen Fülle. Und das ist, wie erwähnt, nicht die einzige Möglichkeit, die handgefertigten Kärntner Nudln zu füllen.


In etwas mehr als vier Wochen, nachdem dieser Text erschienen ist, beginnt im Gasthof Grünwald eine Veranstaltung, die den vielversprechenden Titel "Nudl Kudl Mudl" trägt. Alles ist drin. "40 Sorten Nudln werden serviert, um diese Zeit produzieren und verkaufen wir 15.000 Stück", erzählt Ingeborg Daberer. Die bei den Gästen beliebtesten Nudl-Varianten, neben der klassischen Kasnudl, seien mit Eierschwammerln oder Steinpilzen gefüllte Nudln, natürlich auch Fleischnudln oder Mohn-Nougat-Nudln, wobei bei manchen dieser Varianten auf die Zugabe der Schnittlauchbutter verzichtet wird. Während des Kudl-Mudls verwandelt sich das bescheidene Gasthaus in eine Feinschmeckeradresse, die von Gästen von weit her frequentiert wird. Aus Deutschland, aus Wien, aus dem nahen Osttirol und anderen Teilen Österreichs und aus Italien reisen die Gäste nach Sankt Daniel. Wenn Italiener Italien verlassen, um irgendwo Pasta zu essen, ist das kein geringes Kompliment.



Ingeborg Daberer darf man als Botschafterin der Kärntner Nudl bezeichnen. 2015 traf ich sie zufällig in Mailand, wo sie einen Tag auf der Expo im Österreich-Haus kochte, das einen Wald nachstellte und in dem eine kleine Delegation aus dem Gailtal zu Gast war. Da spielte die Gailtaler Musik auf und mittendrin stand Ingeborg Daberer mit ihrer Schwester und kochte Kasnudln. "Wir hatten 400 Stück dabei."

Slow-Food-Regionen. Das Gailtal und das anschließende Lesachtal gelten als Slow-Food-Regionen und der Kärntner Touristmus trägt diese Auszeichnung wie eine Monstranz vor sich her. Ingeborg Daberer erzählt: "Vor einiger Zeit begannen die Leute hier, sich von den Abhängigkeiten der Lebensmittelindustrie zu lösen und besannen sich darauf, was früher jeder konnte." Viele Höfe machen Topfen selbst, wie auch die Daberers, die auch eine Landwirtschaft besitzen. Joghurt und Butter, es gibt Speck, hausgetrocknete Würste. Gemüse wird selbst angebaut und es gibt viele Varianten von selbst gebackenem Brot der Bäuerinnen. Im nahen Kötschach-Mauthen wird seit einiger Zeit weißer Landmais produziert. In dieser Gegend gibt es auch tolles Bier, und den sogenannten "Edelgreissler" (Selbstbezeichnung) Herwig Ertl und kleine, exquisite Käsereien. Kulinarisches Handwerk, wohin man sich wendet. Kötschach-Mauthen stand jahrzehntelang allerdings aus einem ganz bestimmten Grund auf der Landkarte reisender Esser. Dort kochte Sissy Sonnleitner, die Schwester der Mutter von Ingeborg und Gudrun Daberer. Nachdem sie ihr Restaurant vor einigen Jahren geschlossen hat, soll es ihr übrigens bestens gehen.

Wenn es Abend wird in Sankt Daniel, kommen auch Besucher, die ganz etwas anderes im Sinn haben als Kärntner Nudln, nämlich Kino. In einem kleinen Schuppen neben dem Gasthof Grünwald befindet sich ein Raum, der ein paar Mal in der Woche zu einem Landkino umgewandelt wird. "Es wird eine Leinwand aufgestellt und dann geht es los", erzählt Daberer.

Sie selbst führt allerdings Regie bei den Krendel-Kursen, die man im Gasthof buchen kann. Nicht wenige Hobbyköche haben sich diese Ausbildung angedeihen lassen, mag sein, dass auch ein paar Profis dabei sind und darüber schweigen. Das Krendeln ist in Kärnten ziviliatorische Grundausstattung. Es handelt sich dabei um die kunstvolle Verschließung des Teigs der Nudln, nachdem diese gefüllt wurden. Man macht das mit dem Daumen und dem Zeigenfinger und wie Ingeborg Daberer sagt: "Man kriegt das irgendwann ins Gefühl, aber zwei- oder dreihundert Nudln muss man schon machen, bis das ins Blut geht." Gäste, die der Nudl-Novize bewirtet, bevor die Kunst des Krendelns hundertprozentig erworben wurde, müssen da durch. Ein Glück, dass es bei Daberers im Gasthof Grünwald diese, auch nach Ansicht des Autors, besten Kasnudln Kärntens auch zum Mitnehmen gibt. Handgemacht, tiefgefroren, das Stück um 1,60 Euro.

Steckbrief:
  • Nach der Hauptschule in Kötschach startet Ingeborg Daberer die Koch-Kellner-Lehre im Josefinenhof Warmbad Villach.
  • Das Gasthaus des Großvaters, einst ein Mesnerhaus und eine Schule, übernimmt Ingeborg im Jahr 2000.
  • 2015 tritt sie bei der Weltausstellung in Mailand auf und kocht im Österreich-Haus gemeinsam mit ihrer Schwester Kasnudln.
  • Der Gasthof Grünwald wird gespeist von der Bio-Landwirtschaft des Mannes Gerald, der auch Förster ist.
  • Einer der Söhne ist Käser und übernimmt demnächst eine Käserei.
  • Johanna, die Tochter, und Franziska, die Nichte, schupfen das Service im Gasthof Grünwald.



Das Gasthaus Grünwald besteht seit 1786 und wird heute von den Schwestern Ingeborg und Gudrun Daberer in fünfter Generation geführt. Das Gasthaus ist einer von elf "Kärntner Kulturwirten" und Mitglied des Vereins Gailtaler Kulinarium.

Gasthaus Grünwald
St. Daniel 17, 9635 Dellach
Tel. +43 (0)4718-677
www.gruenwald.dellach.at